Weinbau in Brandenburg

Vitis BB: Wo ist Brandenburgs Wein?

Weinbau stärken, Mithilfe gesucht

Ein Forschungsprojekt will den Weinbau in Brandenburg stärken. Dafür suchen die Wissenschaftler nach vergessenen Rebsorten – die Mithilfe aus der Bevölkerung ist dabei erwünscht.

Weinbau in Brandenburg erscheint zunächst ungewöhnlich. Doch er hat eine lange Tradition. Bereits im Mittelalter wurde in vielen Teilen des Landes Wein angebaut und gekeltert. Die Weinrebe (Vitis vinifera L.), ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammend, wurde vermutlich durch Zisterzienser Mönche und später durch Siedler aus dem Westen während der Ostkolonisation in Brandenburg kultiviert.

Im 15. und 16. Jahrhundert erlebte der Weinbau in Brandenburg seine erste Blütezeit, gefördert durch die askanischen Markgrafen und später die Hohenzollern Kurfürsten. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Weinberge. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) und andere wirtschaftliche Faktoren führten jedoch zu einem Rückgang des Weinbaus. Im 19. Jahrhundert kam er schließlich durch witterungsbedingte Ausfälle, ökonomische Konkurrenz und die Reblaus fast vollständig zum Erliegen, es verschwanden gebietstypische Sorten. Mit dem Vermehrungsverfahren des Pfropfens konnten heimische Rebsorten auf reblausresistente Unterlagen herangezogen werden. Durch den Fortschritt, der Rebenzüchtung, entstand ein ausgewähltes Sortiment von Standardsorten, auch für den kontinuierlich wachsenden Weinbau in Brandenburg.

Die wissenschaftliche Projektleiterin Antje Schüttig von der Humboldt Uni will mit dem Projekt den Weinbau in Brandenburg fördern. “Der Klimawandel trägt dazu bei, dass die Bedingungen für den Weinbau in Brandenburg günstiger werden. Wir haben eine der höchsten Sonnenscheindauer im Jahr, was die Zuckereinlagerung in den Trauben begünstigt, und somit eine gute Traubenqualität.“

Vitis BB: Entwicklung eines Rebensortiments für Brandenburg

Die heutigen Weinbaugebiete in Brandenburg konzentrieren sich hauptsächlich auf den Süden des Landes, insbesondere auf die Regionen um Werder (Havel), die Niederlausitz und das Elbe-Elster-Land. Hier gedeihen Rebsorten wie Müller-Thurgau, Bacchus, Riesling und Spätburgunder.

Der gelernte Winzer Stefan Bönsch ist Kellermeister beim Weingut Marbach Wolfshügel südöstlich von Cottbus. Er kümmert sich nicht nur um den Weinkeller mit Vinothek, sondern auch um die Weinreben auf dem historischen Weinberg auf der Jerischker Endmoräne, der von Hubert Marbach wiederbelebt wurde. Angebaut werden Rebsorten wie Riesling, Johanniter, Regent und Cabernet Cortis.

Während in diesen Märztagen langsam der Frühling in den Hang zieht, schneidet der Weinexperte die Reben kurz. „In Brandenburg Wein anzubauen ist nicht leicht, aber es lohnt sich das Kulturgut zu bewahren.“ Doch es gibt auch ernste Herausforderungen wie den Klimawandel.

„Die Veränderungen sind spürbar. Die Weinlese beginnt jedes Jahr früher, und wir müssen uns an neue Temperaturen und Niederschlagsmengen anpassen. Das ist eine enorme Herausforderung. Wir müssen unsere Weinberge so bewirtschaften, dass sie widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels sind.” Das Projekt Vitis BB bietet hier die Chance zukunftsfähige Sorten zu erproben. “Wir müssen unsere Weinberge so bewirtschaften, dass sie auch für kommende Generationen fruchtbar bleiben”, erklärt Stefan Bönsch.

Vitis BB – Weinbau im 21. Jahrhundert

Die aktuelle Weinbaufläche in Brandenburg umfasst etwa 40 Hektar. Brandenburg zeichnet sich durch ein kontinentales Klima aus, also kalte Winter und moderate bis warme Sommer. Die mittleren Niederschläge sind ungleich verteilt, von unter 500 mm bis zu 650 mm im Jahr. Damit gehört Brandenburg zu den niederschlagsärmsten Gebieten in Deutschland. Die Zusatzbewässerung in der landwirtschaftlichen Produktion wird in Zukunft aber weiter reduziert werden müssen. Auch treten durch den kontinentalen Einfluss, Frostereignisse häufiger auf.

„Unsere größte Herausforderung sind die Frühjahrsfröste. In Brandenburg haben wir einen sehr milden Winter, welcher den frühen Austrieb von Obst- und Weingehölzen begünstigt. Leider haben wir bis in den Mai hinein Minusgrade, dies kann zu erheblichen Schäden an den frisch ausgetriebenen Reben führen“, erklärt Kellermeister Romano Voß vom Weingut Patke.

Innerhalb des Projektes Vitis BB soll ein klimatolerantes und modernes Rebsorten-Sortiment in Brandenburg etabliert werden. Die Projektleitung von Vitis BB liegt bei der Humboldt-Universität zu Berlin, Fachgebiet Urbane Ökophysiologie der Pflanzen und wird unterstützt durch zwei Weingüter in Brandenburg: Weingut Patke und Weingut Marbachs Wolfshügel. Weitere Partner sind die Rebschule Freytag in Neustadt an der Weinstraße, das Julius-Kühn-Institut für Rebenzüchtung in Siebeldingen und das Institut für Lebensmittel und Umweltforschung e.V. (ILU) in Bad Belzig.

Rebsorten-Untersuchung: Tradition und innovative PIWI-Reben

Im Projekt Vitis BB liegt der Fokus darauf, moderne PIWI-Reben auf ihre Trocken- und Frosttoleranz zu untersuchen. Der Begriff „PIWI“ steht für pilzwiderstandsfähige Rebsorten mit einer starken Widerstandskraft gegen Echten und Falschen Mehltau, einer typischen Blatterkrankung bei Wein. Weiterhin sollen historische Wein-Sorten aus Brandenburg auf ihre Resistenz gegen Pilzkrankheiten geprüft werden. Somit lassen sich traditionelle als auch innovative Ansätze im Weinbau integrieren.

„Diese Untersuchungen sind von entscheidender Bedeutung, um den langfristigen Erfolg des Weinbaus in der Region sicherzustellen. Nur eine enge Zusammenarbeit von Forschung und Praxis kann langfristig zu Erfolgen führen. Keiner kommt ohne den Anderen auf vernünftige Ergebnisse“, betont Winzer Romano Voß.

Aufgebaut wird im Vitis BB-Projekt auf Ergebnissen aus vorhergehenden Forschungsprojekten von JKI und der Humboldt-Universität. So können zum Beispiel historische Rebsorten gleich auf ihre Virusfreiheit getestet werden und veredlungsfähiges Pflanzenmaterial mittels in vitro-Kultur vermehrt werden.

Vitis BB – Aufruf an alle Brandenburger: Historische Rebsorten für den Weinbau gesucht

Das Vitis BB-Projekt hat sich auch zum Ziel gesetzt, die Vielfalt des Weinanbaus in Brandenburg durch die Wiederentdeckung und den Anbau historischer Rebsorten zu bereichern.

Den Winzern ist es sehr wichtig, die alten Sorten zu erhalten. „Wir starten deshalb einen Aufruf und fragen die Brandenburger”, erklärt Wein-Experte Stefan Bönsch. “Besitzen Sie alte Stöcke in ihrem Weinberg? Wächst in Ihrem Garten eine unbekannte alte Rebe? Oder kennen Sie Orte, an denen möglicherweise historische Rebstöcke existieren?“

Warum historische Rebsorten?

Historische Rebsorten sind ein wertvolles Kulturgut. Sie sind oft besser an die regionalen Gegebenheiten angepasst und können somit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und Qualität des Weinbaus leisten. Zudem bergen sie ein einzigartiges Potenzial für wertgebende Inhaltsstoffe, neue Geschmacksrichtungen und Weinerlebnisse.

Eine bekannte historische Rebsorte in Brandenburg ist zum Beispiel Grüner Adelfränkisch, der mit der Rebsorte Süßschwarz – ebenfalls eine Rebsorte – verwandt ist und seit dem Mittelalter in der Mark Brandenburg dokumentiert ist.

Sandra Marquardt, Koordinierungsstelle am ILU